Raumtheater. Adolphe Appias theaterästhetische Konzeption in Hellerau

Raumtheater. Adolphe Appias theaterästhetische Konzeption in Hellerau

erschienen: 15.06.2011

Autor: Nina Sonntag

Preis: 22,95 €

Verlag: Klartext Verlag

ISBN: 978-3837506273

Druckfrisch und in der Reihe “Einmischen und Mitgestalten” (Band 14) des Werkbunds NW erschienen, ist

RAUMTHEATER. Adolphe Appias theaterästhetische Konzeption in Hellerau unseres Mitglieds Nina Sonntag.

Die erste deutsche Gartenstadt in Hellerau bei Dresden war nicht nur Zentrum der Lebensreformbewegung, sondern auch Geburtssort für das moderne Theater. Der Bühnenbildner und Theatertheoretiker Adolphe Appia machte den Auffühungsraum des von Heinrich Tessenow entworfene Festspielhauses zu einem auf atmosphärische Wirkung zielendes Architekturerlebnis. Durch den ästhetisch-symbolischen Einsatz von elektrischem Licht und auf Treppenpodesten agierenden Schauspielern wurde das Raumkonzept ein Gegenentwurf zur illusionistischen Bühne. Mit diesem Buch wird am Beispiel des Festspielhauses in Hellerau und dem Wirken Adolphe Appias ein signifikanter Verbund von theaterwissenschaftlichen, kunstwissenschaftlichen und architekturtheoretischen Aspekten hergestellt.

Buchbesprechung von Wolfgang Meisenheimer

Ein erfreuliches Werk zur Erforschung räumlicher Strukturen, nicht nur in der Geschichte der Theaterästhetik, sondern auch zum Architekturverständnis der Gegenwart! Nina Sonntag hat die umfangreichen Forschungen der Marie-Louise Bablet zu Adolphe Appia und seiner avantgardistischen Auffassung von Theaterraum um eine sorgfältige Analyse seines Hauptwerkes, des großen Saals im Festspielhaus Hellerau, bereichert; sie hat damit zugleich Quellenmaterial zum Raumverständnis der Architektur-Moderne geliefert. Der Saal selbst war nur 2-3 Jahre, von 1912 bis 1913, in Aktion; Höhepunkte seiner internationalen Wirkung waren die Gluck-Aufführungen von Orpheus und Eurydike 1912 und 1913, bei denen zum ersten Mal in der Theatergeschichte mit einfachsten Mitteln „Atmosphären“ erzeugt wurden, indem Raumgestalt, Licht, Musik und die rhythmische Bewegung menschlicher Körper in einzigartigen Performances von den Zuschauern als  Einheit, als Gesamtkunstwerk, empfunden wurden.

Was das mit der Entwicklung des Raumverständnis moderner Architektur zu tun hat? Nach neuem Verständnis wird Architektur nicht mehr primär als Objekte-Welt, als Ensemble von Baukörpern verstanden; nicht das gebaute Ding mit seinen technischen, ästhetischen und funktionalen Eigenschaften, Stabilität, Proportionen usw., ist Gegenstand der Analyse, wenn wir nach dem gebauten Raum fragen, sondern darüber hinaus und vor allem seine Erlebbarkeit, seine Wirkung. Architekturraum ist szenisch; er wird erst recht verständlich, wenn wir ihn als Performance betrachten. Für wessen Auftritt ist er hergestellt? Wie sind seine Gesten mit den Gesten seiner Nutzer verknüpft? Wird dieses Wechselspiel beherrscht oder nicht beherrscht? Wie werden die körperlichen Aktionen der Menschen durch Raumformen gelenkt; sind die Raumformen im Hinblick auf den menschlichen Leib, seine Empfindungen, Gesten und Erinnerungen gestaltet? Denn Architektur und Leib müssen reziprok aufeinander bezogen sein, wenn Ausdrucksqualität entstehen soll, architektonische Atmosphäre. Appia hat zur Zeit des frühen Werkbundes , des Bauhauses und der aufregenden, neuen Körperkultur einigen wenigen -aber immerhin einigen: Martin Buber, Paul Claudel, Heinrich Tessenow, Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Jaques-Dalcroze, Rudolf Laban und später Wieland Wagner, Giorgio Strehler, William Forsythe und anderen-  die Augen geöffnet. Das moderne Raumverständnis ist nicht mehr „objektivistisch“, es bezieht vielmehr den Leib des Betrachters /Nutzers mit ein, und es ist handlungsbezogen, der Raum hat Performance-Charakter!

Das Buch hilft also, das aktuelle Raumverständnis zu deuten, auf seine historischen Anfänge zurückzuführen. Außerdem ist das Buch hübsch anzusehen, ein echtes Arbeitsbuch der Werkbundreihe Einmischen und Mitgestalten.