2007

Es ist kein Zufall, dass sich pünktlich zum 100. Geburtstag des Deutschen Werkbundes eine studentische Initiative gegründet hat, die sich selbstbewusst „wb.jung“ nennt und schon mit diversen Aktionen zumindest auf regionaler Ebene auf sich aufmerksam gemacht hat. Zu nennen seien hier die Durchführung einer Umfrage zum aktuellen Wissensstand über den DWB an hessischen Hochschulen oder die Einladung zum offenen Gespräch mit Werkbundmitgliedern im Hause des Fachbereiches Architektur der TU Darmstadt mit dem Titel „Werkbund, wie stellst du dir deine Zukunft vor?“, dessen positiver Verlauf seitdem viele weitere Aktionen mit sich zog und in Planung sieht.

Die Gründung des Deutschen Werkbundes im Jahre 1907 war indes auch kein Zufall; sie war mit der oft zitierten und in der Satzung festgehaltenen Erklärung Protest und Aufruf zugleich: „Der Zweck des Bundes ist die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen.“ Zeitgemäß und mit einem Anglizismus versehen könnte man es auch so formulieren: Interdisziplinäres Networking und Schaffung einer verantwortungsvollen und selbstbestimmenden Zivilgesellschaft.

Heute, 100 Jahre später, sieht sich die Initiative „wb.jung“, derzeit bestehend aus 12 Studenten der TU Darmstadt, in der Rolle die alteingesessenen Strukturen zu hinterfragen und zu diskutieren. Wir möchten den Werkbund nicht endgültig zu dem werden lassen, was schon seit Jahren bei Interessierten und Mitgliedern hinter hervorgehaltener Hand ausgesprochen wird: eine verblassende Erinnerung an vermeintlich glorreichere Zeiten. Dem ist nicht so! Der Deutsche Werkbund hat sich durch seine gesamte (demokratische) Geschichte hindurch stets den aktuellen Gesellschaftsfragen gestellt und dazu öffentlich Stellung bezogen. Fakt ist jedoch, dass er schon lange nicht mehr die breite Anziehungskraft ausstrahlt, die er einst nicht nur wegen seiner charismatischen Protagonisten genoss. Warum ist das so?

Das faszinierende am Studium der Geschichte und der Projekte des DWB ist die Besonderheit, dass er in seinem Tun und Handeln seiner Zeit stets einen Schritt voraus war. Ich möchte hier im Besonderen den Aspekt der Medienwirksamkeit und der einhergehenden Präsenz in der Öffentlichkeit ansprechen. Schon in seiner frühen Schaffensphase brachte der DWB es zu Stande, mit Flugblättern, Plakatierungen oder auch durch internationale Gäste und Verflechtungen mit seinen Aktionen, Diskussionen, Ausstellungen und baulichen Projekten eine breite Aufmerksamkeit in der Bevölkerung zu erreichen.

Wie sieht es heute aus? Der Werkbund lebt natürlich noch! Noch immer stellt er aktuelle, zeitkritische Fragen und spricht gesellschaftlich relevante Themen an. Noch immer verfolgt er interessante und wichtige Projekte bis hin zu ihrer Umsetzung. Doch wo wird dieses Engagement publik? Auf Fachsymposien, in Fachblättern; in eigenen Zeitschriftenreihen, deren nächste Ausgabe stets in der Schwebe steht bzw. von denen man nur als DWB-Mitglied oder in Universitätsbibliotheken etwas erfährt; ab und zu liest man einen Artikel in den hiesigen Tageszeitungen.

Möglicherweise protestieren jetzt einige Leser und möchten sogleich Gegenteiliges beweisen. Verehrte Leser, es liegt nicht in unserer Absicht, Schwarzmalerei zu betreiben! Vielmehr möchten wir dadurch zum Nachdenken anregen.

In den frühen 20er Jahren, als die Begriffe „e-mail“, „web2.0 (blogs…)“ oder „data mapping“ (bsp. Google Earth) ungreifbar weit entfernt waren, schaffte es eine Gruppe couragierter Aktivisten für eine „Neue Sachlichkeit“, mit einfachsten Mitteln eine so starke Präsenz in der Öffentlichkeit zu schaffen, dass die „Werkbund-Meinung“ eine meinungsbildende war.

Jetzt, 2007, waren die Möglichkeiten nie so groß, eine derart breite Masse mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Daher ist es umso erstaunlicher, dass der DWB in Sachen „Public Relations“ mittlerweile nicht nur einen Schritt hintendran erscheint. Natürlich darf aus einer Institution wie dem Werkbund kein Medienprodukt werden. Ein schneller Untergang wäre die Folge. Wir betrachten es eher aus der anderen Perspektive: der Werkbund sollte sich wieder geschickt und clever die Medien zunutze machen, um stärker in das öffentliche Meinungsbild hineinzuwirken.

Dazu bedarf es junger, kreativer Köpfe, die neben der Begeisterung für die Arbeit des Werkbundes frische Ideen mitbringen und mit den neuen Medien vertraut sind. Und natürlich mutige, erfahrende Mitglieder, die sich bereit erklären, in gegenseitiger Abstimmung Projekte und Aktionen zu unterstützen und den „jungen Wilden“ die Philosophie des Werkbundes näher bringen. In diesem Zuge können wir uns kaum einen besseren Weg vorstellen, als den DWB in Kooperationen und gemeinsamen Projekten mit den Universitäten zu verknüpfen, so dass neue Impulse und Synergieeffekte zwischen jung und erfahren entstehen.Der „wb.jung“ freut sich, mit dem Vorstand des Hessischen Werkbundes eine vielversprechende Basis gefunden zu haben und ist gespannt auf die kommende Zusammenarbeit und die weiteren Projekte! Nun, jetzt fehlt natürlich noch ein Aufruf: Wir rufen alle Interessenten – ob jung oder alt – auf, sich mit uns in Verbindung zu setzen und gemeinsam neue Ideen zu entwickeln, Diskussionen anzuregen und konkrete Projekte umzusetzen, die sich in den Geist eines modernen Werkbundes einfügen.

Go Kontos für den wb.jung

veröffentlicht in der WerkbundHessenZeitung November 2007