2010, Juni

Freitag, 11. Juni 2010 auf dem Werkbundtag in Oberhausen

Ja, meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren, zunächst ganz herzlichen Dank dafür, dass wir heute zu Ihnen sprechen dürfen. Mein Name ist Georgios Kontos, ich bin Mitglied im wb.jung. Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass wir in der Münchner Seidlvilla im Abendprogramm eine kleine Guerilla-Aktion veranstaltet und einen Spontan-Vortrag über unsere Aktivitäten gehalten haben. Ein herzlicher Dank dafür geht nochmals an Hermann Schubach! Und jetzt stehen wir hier, ein Jahr später auf dem Werkbundtag 2010 in Oberhausen und sind damit in das offizielle Programm aufgenommen! Heute möchte ich Ihnen gerne etwas von den aktuellen Aktivitäten im werkbund.jung erzählen.

Was Sie jetzt hier auf der Leinwand sehen: Dort wohnen wir während dieser Tagung – nicht in der Vogelhäuschen-Siedlung, sondern in dem Haus dahinter. Das ist das frisch eingerichtete Werkbund-Haus in Eisenheim und an dieser Stelle ebenfalls ein Dankeschön an Roland Günter und all die Menschen, die es bis zur letzten Minute für uns hergerichtet haben, damit wir eine kostenlose Übernachtungsmöglichkeit in Oberhausen haben. Ich möchte Ihnen in den nächsten 5-8 Minuten drei Fragen beantworten.

Die erste lautet Was ist der werkbund.jung, die zweite lautet Was macht der werkbund.jung und die dritte lautet Was will der Werkbund.jung? Zuvor allerdings noch ein kleines Statement: Was sie hier sehen, ist die Abgrenzung der Metropolregion FrankfurtRheinMain. Noch bis vor wenigen Wochen war dies der Einzugsbereich der Mitglieder des wb.jung, die aus Städten wie Darmstadt, Frankfurt, Offenbach und Mainz kommen. Doch diese Karte hat ihre Gültigkeit verloren, denn eine von uns, Charlotte Döring, ist nun nach Wien gezogen; und eine andere, Nadine Schröter nach Winterthur in die Schweiz. Was bedeutet das jetzt für den werkbund.jung? Gar nichts. Wir sind trotzdem noch der werkbund.jung. Und was ich ganz großartig finde ist die Tatsache, dass unsere Wienerin extra für die Tagung nach Oberhausen angereist ist und das hier mit uns allen erleben kann. (Applaus aus dem Publikum)

Das bedeutet im Kern, dass wir eben nicht in Grenzen denken. Egal wo wir gerade leben oder demnächst leben werden - und das sage ich deshalb – so möchte ich zumindest prognostizieren -, weil wohl die meisten von uns eben keinen Blumenstrauß zum 25-jährigen Job-Jubiläum überreicht bekommen, sondern in ganz vielfältigen Jobs, an unterschiedlichen Orten arbeiten und wirken werden. Und da ist es doch ein Glück, dass die Idee Werkbund keine Landesgrenzen braucht – schon gar nicht solche im Kopf.

Was ist der werkbund.jung? Zunächst ist da unser Interesse am Deutschen Werkbund zu nennen. Das liegt daran, dass an unseren Hochschulen während des Studiums an Seminaren teilgenommen haben, die sich thematisch mit dem Werkbund auseinandergesetzt haben. Mit der Geschichte, mit seinen Akteuren und natürlich mit seinen Produkten. Und wir waren 2007 in München und haben mit großem Interesse verfolgt, wie der Werkbund sein 100-jähriges Jubiläum begeht. Weiterhin sind wir wirklich sehr interdisziplinär aufgestellt, Sie sehen hier die verschiedenen Disziplinen, die wir im werkbund.jung vertreten. Ganz besonders freut uns aber, dass wir eine Soziologin oder auch eine Biologin im wb.jung haben. Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, dass eine Erweiterung des Blickwinkels immer ein Zugewinn des eigenen bedeutet. Gegenüber anderen Institutionen und Verbänden der klare Vorteil, im Werkbund zu sein. Und wir sind gar nicht mehr so jung. 2006 geboren, sind wir heute schon vier Jahre alt. Und wenn ich hier so in die Runde schaue, sehe ich das Unaufhaltsame auch schon bei uns: Denn viele wb.jüngler gehen stark auf die 30 zu. (Gelächter im Saal)

Was macht der werkbund.jung? Natürlich: Wir diskutieren. Wir diskutieren mindestens einmal im Monat, genau wie sie auf ihren Vorstandssitzungen. Darüber, was aktuellen Fragestellungen sind, was uns aktuell bewegt und interessiert und wir diesen Diskurs in Projekten umsetzen und verwirklichen können. Weiterhin werken wir. Das, was wir erreichen und zeigen wollen, müssen wir meist auch komplett selbst in Angriff nehmen – von z.B. der Ausstellungskonzeption bis hin zur Ausstellungskonstruktion. Meist geschieht das mit einem quasi Null-Budget. Und sie erkennen hier in meinen Aussagen, wie sehr sich der werkbund.alt und der werkbund.jung nahe sind. Aber, egal wie viel Geld uns zur Verfügung steht: Unser Anspruch ist es, gestalterisch wie inhaltlich das Beste daraus zu machen. Und was dabei herauskommt, könne sie hier sehen: Unsere erste größere eigene Ausstellung über Ernst May und das neue Frankfurt, die wir zum 80-jährigen Jubiläum des CIAM II Kongresses in Frankfurt angefertigt haben und wir haben diese für sie mitgebracht. Sie ist Teil der vielen Ausstellungen im großen Saal nebenan. Und das wir auch Beachtung finden, sehen Sie auf diesem Bild: Wir hatten im Frankfurter Forum prallgefülltes Haus, dass bei der Vernissage viele Gäste nicht mehr in den Raum hineinkamen. Aber wir entdecken auch: Ich habe das im letzten Jahr in München schon kurz angesprochen. Wir entdecken die Werkbundgeschichte. Wir haben uns in das Archiv gestohlen und die alten Dokumente einfach mitgenommen und heimlich kopiert. Denn die meisten der alten Dokumente geben es nur noch sehr selten und sind für Studenten überhaupt nicht zugänglich. Ja ich frage Sie: Wie sollen denn junge Leute vom Werkbund erfahren, wenn man ihn nicht wieder entdecken kann? Aber wir beschäftigen uns auch mit der jüngeren Werkbundgeschichte. Zum Beispiel mit Lehrserien aus den 1970er Jahren oder mit Ausstellungen wie Weiter wohnen wie gewohnt vom Michael Andritzky.

Oder auch die von Lucius Burckhardt und Ot Hoffmann initiierten Werkbundgespräche der 1980er Jahre in Darmstadt, die so spannende und brandaktuelle Themen wir Schmutz oder Architektur und Ökologie thematisiert haben. Dieses ganze Material liegt zum Glück noch vor, aber auf alten Tonbändern, auf Audiokassetten oder in Diabildern. Mit natürlich völlig veralteten Medien produziert und damit heute für eine junge Generation quasi unzugänglich. Und was haben wir gemacht? Wir haben vieles - und längst nicht alles - einfach digitalisiert, damit wir überhaupt wieder Zugang zu diesem Material erlangen können. Hier sehen Sie ein Beispiel einer Dialehrserie aus den 1970er Jahren, nämlich von Janne und Roland Günter mit dem Titel „Soziale Elemente in der Architektur, die das Alltagsleben in der Siedlung Eisenheim dokumentiert. Und nun denken Sie an unser zu Beginn dieser Präsentation gezeigtes Bild. Wie spannend das für uns nun ist, Werkbundgeschichte recherchiert und aufbereitet zu haben und heute in dieser Siedlung in Eisenheim ein Stück Werkbundgeschichte hautnah erleben zu können! Ist das nicht eine tolle Sache? Wir publizieren! Hier sehen Sie ein Reprint des Ausstellungskatalogs Die Wohnung für das Existenzminimum. Wir sind schon etwas stolz darauf, dass wir das Frankfurter Hochbauamt dazu bewegen konnten, uns die Rechte für eine Miniauflage von 100 Stück zuzusprechen und diesen Originalkatalog von 1929, der dann 1930 erschien, zu faksimilieren. Einige der letzten Exemplare haben wir heute für Sie mitgebracht. Dazu gab es einen eigenen Katalog mit dem Titel wohnen. aber wie?, der selbstverfasste Beiträge unserer Mitglieder enthält. Und unser neuestes Werk ist eine Überraschung zum Werkbundtag 2010. Wir haben uns mit den Rheinland-Pfälzer Kollegen vom wb.jung zusammengetan und in den letzten vier Monaten eine Publikation mit dem Titel Synthesen auf die Beine gestellt. Diese beinhaltet 14 Positionen des werkbund.jung zu so unterschiedlichen Themen wir Gemeinschaft und Generation, Raum und Ort, Kunst und Fotografie und Gestaltung und Malerei. Und hier geht ein ganz herzlicher Dank an unser Ehrenmitglied Frank Münschke, der dieses Projekt überhaupt erst möglich gemacht hat. (Applaus) Ich möchte Ihnen jetzt die dritte und letzte Frage beantworten.

Was will der werkbund.jung? Nun, einmal wollen wir lernen. Dieses Bild ist zuhause bei Tassilo Sittmann aufgenommen, der in den 1960er Jahren gemeinsam mit Walter Schwagenscheidt die Nordweststadt in Frankfurt geplant hat und uns hier das Konzept dieser Raumstadt näherbringt. Wir besuchen Werkbundmitglieder und wollen von ihnen lernen; von ihren Erfahrungen, ihrem Werk, Ihren Ansichten über den Werkbund. Gerade bei solchen Begegnungen können wir unheimlich viel mitnehmen. Das ist keine tolle Sache, das ist eine ganz fantastische Sache! Und wir wollen uns austauschen. Das hier ist eine Aufnahme in Darmstadt auf der Mathildenhöhe, wo wie ein ganzes Wochenende mit Frank Münschke verbracht haben. Er hat uns in einem Adobe Indesign-Kurs Tricks und Tipps beigebracht und wir konnten Ihm hoffentlich auch etwas von uns mitgeben. Schließlich wollen wir natürlich auch mitgestalten. Fünf von uns durften bei der Berliner Version der Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum in der Akademie der Künste mithelfen und somit dieses Ereignis auch tatkräftig unterstützen. Wir haben auch eine kleine Website www.wb-jung.de, wo sie unsere Aktivitäten im Internet verfolgen können. Ja, zum Abschluss bleibt zu sagen: Wir finden den Werkbund richtig gut, aber Werk-und jung finden wir besser!

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!